Einfache Sprache & barrierefreie Dokumente

5.12.2024

Das kommende Jahr 2025 steht ganz im Zeichen digitaler Barrierefreiheit und leichten Zugang zu Informationen. In den letzten Blogartikeln haben wir uns als SEO Agentur mit den technischen Anforderungen auseinandergesetzt, damit Websites für Suchmaschinen-Bots und Menschen bestmöglich zugänglich sind.

Dieser Artikel setzt sich heute voll und ganz mit der Zugänglichkeit von Content auseinander. Denn Lesegewohnheiten und -bedürfnisse sind je nach Zielgruppe unterschiedliche ausgeprägt. Bisher stellt es eine absolute Ausnahme dar, dass Buyer Persona Beschreibungen auch für Menschen mit motorischen oder kognitiven Einschränkungen ins Touchpoint Mapping und die Customer Journey eingebracht werden.

Einer der wichtigsten Touchpoint stellt Sprache dar. Deshalb haben wir eine langjährig erfahrene Expertin des Wortes für ein Interview angefragt. Miriam Herbold-Berneike ist Geschäftsführerin der Berliner Content Marketing Agentur textbest. Ihre Agentur kreiert seit Jahren passgenaue und zielgruppengerechte Kommunikationskonzepte - und da gehören Leichte und Einfache Sprache für textbest selbstverständlich auch dazu.

Hallo Miriam, bitte gib uns einen kurzen Überblick über die Arbeit eurer Content-Marketing-Agentur, insbesondere im Bereich barrierefreie Kommunikation. Wie sensibilisiert sind eure Kunden bereits für dieses Thema?

Miriam Herbold-Berneike: Wir von textbest konzipieren und erstellen suchmaschinenoptimierten Content für große und kleine Marken. Unsere Arbeit beginnt immer mit der Auseinandersetzung mit der Zielgruppe: Wer sucht was in welcher Situation und mit welchem Ziel? Und dann folgt die wichtigste Frage: Wie können wir diesen Nutzer:innen das beste Ergebnis für ihre Suchanfrage liefern? Daran schließt sich nahtlos die digitale Barrierefreiheit an. Denn nur, wenn wir es allen User:innen leicht machen, unsere Inhalte auch zu konsumieren und mit ihnen zu interagieren, kann eine Verbindung zum publizierenden Unternehmen aufgebaut werden – und die ist ausschlaggebend für eine Kontaktaufnahme oder einen Kauf. Das vermitteln wir auch unseren Kund:innen so und immer mehr setzen das Thema Barrierefreiheit auf die Agenda. Mit dem Inkrafttreten des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG) im Sommer 2025 wird das Thema noch einmal deutlich an Fahrt aufnehmen.

Leichte Sprache versus Einfache Sprache:

Oft werden die Begriffe Einfache Sprache und Leichte Sprache synonym verwendet. Kannst du den Unterschied erklären und erläutern, wann welche Variante eingesetzt wird?

Miriam Herbold-Berneike: Leichte Sprache ist eine Sprachform, die besonders stark vereinfacht ist. Sie folgt festen Regeln, die vom Netzwerk Leichte Sprache entwickelt wurden. Sie ermöglicht es unter anderem Menschen mit einer Lese-Rechtschreibstörung, Menschen, die nicht so gut Deutsch sprechen, oder Menschen mit einer Behinderung, Texte zu lesen, zu verstehen und zu nutzen.

Einfache Sprache hingegen ist weniger streng reguliert. Hier geht es darum, Texte für eine breitere Zielgruppe zu vereinfachen, sodass sie möglichst verständlich sind. Einfache Sprache verzichtet auf komplizierte Fachbegriffe, setzt aber auf flüssige und natürliche Sprache, die nicht ganz so stark vereinfacht ist wie die Leichte Sprache. Wann welche Variante eingesetzt wird, hängt von der Zielgruppe ab: Leichte Sprache wird oft dann verwendet, wenn Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen angesprochen werden sollen, während Einfache Sprache für eine allgemein verständlichere Kommunikation hilfreich ist.

Es ist sinnvoll, User:innen die Möglichkeit zu geben, eine Website in Leichter Sprache zu nutzen. Die Inhalte werden dann alternativ bereitgestellt. Es gibt von den betreffenden Seiten dann also zwei sprachliche Varianten. Abseits davon ist es in vielen Fällen eine gute Entscheidung, Texte in möglichst einfacher Sprache zu erstellen – auch und vor allem dann, wenn die Inhalte komplex sind.

Welche Zielgruppen profitieren am meisten von Einfacher bzw. Leichter Sprache? Gibt es Überschneidungen oder sind es gänzlich unterschiedliche Gruppen?

Miriam Herbold-Berneike: Von Leichter Sprache profitieren in erster Linie Menschen mit kognitiven Einschränkungen, zum Beispiel Menschen mit Lernschwierigkeiten oder intellektuellen Behinderungen. Auch Menschen, die gerade erst eine Sprache lernen, profitieren davon, da die klaren Regeln und einfachen Satzstrukturen das Verstehen erleichtern.

Einfache Sprache richtet sich an eine breitere Zielgruppe. Dazu gehören Menschen, die wenig lesen, oder Menschen mit einer niedrigen formalen Bildung. Aber auch Menschen, die unter Zeitdruck stehen oder eine schnelle, unkomplizierte Informationsaufnahme bevorzugen, schätzen die Einfache Sprache.

Gibt es spezielle Herausforderungen oder Fallstricke bei der Erstellung von Texten in Einfacher oder Leichter Sprache, etwa beim Thema Gendern?

Miriam Herbold-Berneike: Die Erstellung von Texten in Einfacher oder Leichter Sprache ist anspruchsvoller, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Eine große Herausforderung ist es, die Informationen korrekt und vollständig zu übermitteln, ohne die Inhalte zu stark zu vereinfachen oder wichtige Details zu verlieren. Es braucht ein gutes Gefühl für das richtige Maß an Vereinfachung, damit die Inhalte noch verständlich, aber nicht verfälscht sind.

Besonders herausfordernd ist das Thema Gendern in Einfacher und Leichter Sprache. Einerseits sollen die Texte inklusive Sprache verwenden, andererseits können gendergerechte Schreibweisen, wie der Genderstern oder -Doppelpunkt, die Lesbarkeit erschweren. In der Leichten Sprache wird oft darauf verzichtet, komplexe Genderformen zu verwenden. Stattdessen kommen neutrale Begriffe oder umschreibende Formen zum Einsatz, etwa „alle Menschen“ statt „Bürger:innen“. Es ist wichtig, eine Balance zwischen Verständlichkeit und sprachlicher Inklusion zu finden.

Ein weiterer Fallstrick ist die fachliche Genauigkeit. Wenn Themen eine gewisse Komplexität haben, kann die Vereinfachung schnell zu ungenauen oder irreführenden Aussagen führen. Daher ist es essenziell, dass die vereinfachten Texte von Expert:innen auf Verständlichkeit und Richtigkeit gegengeprüft werden.

Einfach oder leicht zu schreiben, bedeutet also nicht, dass Inhalte banalisiert werden. Gute Texte in Einfacher oder Leichter Sprache erfordern eine klare Struktur, Einfühlungsvermögen und die Bereitschaft, sich intensiv mit den Bedürfnissen der Zielgruppe auseinanderzusetzen.

Barrierefreie Dokumente:

Mal weg von der digitalen Barrierefreiheit auf Websites. Auch Office-Dokumente können barrierefrei erstellt werden. Bietet textbest einen Support für Word, Excel, PDF, PowerPoint und Co. an?

Miriam Herbold-Berneike: Microsoft bietet in seinen Office-Anwendungen schon seit Jahren wirklich hervorragende Möglichkeiten, Inhalte allen Nutzer:innen zugänglich zu machen. In unserem Arbeitsalltag spielen diese Möglichkeiten jedoch eher selten eine Rolle, da von uns erstellte Inhalte in der Regel online publiziert werden. Etwas anderes gilt für PDF-Dokumente wie Whitepaper, Checklisten oder ähnliches – diese erstellen wir immer häufiger barrierefrei für unsere Kund:innen.

Kannst du uns einige konkrete Beispiele nennen, wie und vor allem warum man Dokumente barrierefrei gestaltet (z. B. Alternativtexte für Bilder, korrekte Überschriftenhierarchien, barrierefreie Tabellen)?

Miriam Herbold-Berneike: Dokumente sollten ebenso wie Websites barrierearm gestaltet werden, sodass auch Menschen mit Behinderungen sie uneingeschränkt nutzen können. User:innen, die nicht oder eingeschränkt sehen und Screenreader verwenden, können die Inhalte zum Beispiel nur unter bestimmten Voraussetzungen konsumieren. Zu diesen Voraussetzungen gehören unter anderem die korrekte Auszeichnung aller Inhalte wie Überschriften, Absätze oder Auflistungen sowie das Erscheinen aller Elemente in der korrekten Lesereihenfolge.

Wichtig ist ebenfalls die alternative Beschreibung für Bilder und Grafiken. Ist in Grafiken Text enthalten, sollte dieser zusätzlich in einer Text-Alternative angeboten werden. Das Einhalten von Mindestkontrasten ist ebenso wichtig. Und: Es sollten möglichst keine Sicherheitsmechanismen aktiviert sein, die das Kopieren von Texten oder die Nutzung assistiver Technologien verbieten.

Auswirkungen auf Web-Content:

Inwiefern beeinflusst das Thema Barrierefreiheit die Gestaltung von Content für Websites?

Miriam Herbold-Berneike: Ich finde es sehr gut, dass das Thema durch das BFSG so stark in den Fokus gerückt ist. Wir sollten bei der Planung und Erstellung von Inhalten immer im Kopf haben, wie wir unsere Inhalte zur Zielgruppe bringen und wie divers so eine Zielgruppe sein kann. Ich habe bis vor Kurzem noch nie eine Marketing-Persona gesehen, die eine Lese-Rechtschreibstörung hat oder sehbehindert ist. Das ändert sich jetzt und ist gut so.

Außerdem bringen die Anforderungen an barrierefreie Inhalte nun auch mehr Content Creator dazu, grundsätzlich relevante Dinge wie eine korrekte Überschriftenarchitektur oder Inhalte-Auszeichnung stärker zu fokussieren.

Gibt es spezielle Aspekte, die bei der Erstellung barrierefreier Web-Inhalte zu beachten sind (z. B. Alternativtexte für Bilder, korrekte Überschriftenhierarchien, barrierefreie Tabellen, Schriftgröße, Farbkontraste)?

Miriam Herbold-Berneike: Es gib eine ganze Reihe an konkreten Anforderungen, die sich in den 86 Kriterien des internationalen Standards der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) finden. Ich finde es hilfreich, bei der Content-Planung stets daran zu denken, Inhalte mit unterschiedlichen Sinnen leicht konsumierbar zu machen. Es geht zum Beispiel um die Fragen: Ist der Text logisch aufgebaut und lässt er sich leicht lesen? Erhalte ich genau das gleiche Informations- und Unterhaltungsergebnis, wenn ich mir die Seite vorlesen lasse? Kann mein Video mit Ton bzw. Bildbeschreibung die gleiche Message transportieren wie die vertonte Variante?

Wie messt ihr den Erfolg für die digitale Barrierefreiheit? Habt ihr da spezielle KPIs oder Feedback-Mechanismen für eure Kunden entwickelt?

Miriam Herbold-Berneike: Der Erfolg von Maßnahmen zur Steigerung digitaler Barrierefreiheit lässt sich auf unterschiedliche Arten messen. Zum einen zahlen die meisten Maßnahmen mindestens mittelbar auf unsere Standard-KPIs im Content-Marketing ein: Rankings, Traffic, geringe Bounce Rate, Interaktion mit der Seite, Verweildauer und einige weitere. So helfen eine gute und logische Seitenstruktur, eine korrekte Überschriftenarchitektur, Alt-Tags und Meta-Daten dem Google-Algorithmus dabei, unsere Inhalte besser zu verstehen, was mit besseren Rankings belohnt wird.

Wir beobachten all diese Zahlen also weiter. Spannend ist natürlich, wie häufig sich User:innen die Seite in Leichter Sprache oder Gebärdensprache ausgeben lassen. Vieles lässt sich jedoch nicht bis ins Detail tracken. So verwenden beispielsweise nicht alle User:innen mit Behinderungen Hilfstechnologien. Menschen, die von Autismus oder Epilepsie betroffen sind, verändern  oft nur bestimmte Browser-Einstellungen. Das lässt sich nicht tracken. Es ist aber wichtig, dass die Seite es ermöglicht.

Ich bin sicher, dass jede Marke Veränderungen sieht, wenn sie die WCAG-Kriterien umsetzt. Das gilt in erster Linie für B2C-Unternehmen, die Buchungen oder Käufe anbieten. Denn wenn Buchungsmasken für alle nutzbar sind oder der Check-out barrierefrei gestaltet ist, ermöglicht das einer erheblichen Anzahl von Menschen überhaupt erst einen Abschluss. Weniger spürbar sind entsprechende Maßnahmen sicherlich für solche, die nicht zum Adressatenkreis des BFSG gehören, also etwa B2B- oder Dienstleistungsunternehmen ohne digitale Kaufmöglichkeit.

Welche Chancen siehst du im Bereich der barrierefreien Kommunikation und wie wird sich dieser Bereich deiner Meinung nach in Zukunft entwickeln?

Miriam Herbold-Berneike: Wir wollen es allen leicht machen, unsere Inhalte zu konsumieren und mit der publizierenden Brand zu kommunizieren. Wenn uns dieser Gedanke bei der Konzeption, Kreation und Distribution begleitet, wird Barrierefreiheit immer selbstverständlicher. Es muss allen klar werden, dass wir durch barrierefreie Websites unseren Content und damit unsere Kund:innenkommunikation insgesamt aufwerten. Jede Beschäftigung mit der Zielgruppe verbessert unsere Kommunikation mit ihr. Ich wünsche mir, dass das Thema Barrierefreiheit immer stärken von allen Akteur:innen mitgedacht wird – egal, um welche Online-Maßnahmen oder -Produkte es sich handelt. So wird Barrierefreiheit zu einer Selbstverständlichkeit und nicht zu einer Auflage.

Welchen Rat gibst du Unternehmen, die gerade erst anfangen, sich mit dem Thema Leichte Sprache, Einfache Sprache und Barrierefreiheit auseinanderzusetzen?

Miriam Herbold-Berneike: Je weniger Steine wir potenziellen Kund:innen in den Weg legen, desto leichter machen wir es ihnen, anzufragen oder zu kaufen. Ich rate Unternehmen deshalb dazu, die eigene Seite zunächst einem Check zu unterziehen, um einen ersten Eindruck zu erhalten, was es zu tun gibt. Sprache und Content sind wichtig, doch Barrierefreiheit hat auch sehr viel mit Aufbau und Struktur zu tun. Es ist aus meiner Sicht also sinnvoll, sich dem Thema vom Großen ins Kleine zu nähern und sich hierbei Unterstützung zu holen. Wir begleiten Unternehmen auf dem Weg zur digitalen Barrierefreiheit, erstellen Seiten-Audits und übernehmen auf Wunsch auch die komplette Umsetzung.

Liebe Miriam! Vielen Dank für die ausführlichen Details über Einfache, Leichte Sprache und die Vorzüge der digitalen Barrierefreiheit.

Autor*in

Miriam Herbold-Berneike ist Geschäftsführerin der Content-Marketing-Agentur textbest in Berlin. Seit 2012 erarbeitet die Content Marketing Agentur maßgeschneiderte Content-Strategien und hochwertigen Content für unterschiedliches Marketing Channels. Kommunikation im Web durch suchmaschinenoptimierte Inhalte, sind für textbest ein wichtiges Instrument, um den Search Intent effektiv zu erfüllen.

Zusammen mit ihren Mitarbeitern bringt Miriam Herbold-Berneike die Vorteile digitaler Barrierefreiheit ihren Kunden näher und setzt mit ihnen neue Standards in puncto Touchpoint Mapping und inklusiven Content Marketing Strategien.

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